Nachhaltiger Bergbau: Rohstoffabhängigkeit in Deutschland & potenzielle Lösungen

Mineralische Rohstoffe

Ohne mineralische Rohstoffe gibt es keine wirtschaftliche Entwicklung, keinen Wohlstand – und auch keinen Ausstieg aus den fossilen Technologien. Vor allem bei Metallen ist Deutschland allerdings in hohem Maß von Importen abhängig. Wie lässt sich der zur Deckung des Bedarfs erforderliche Bergbau nachhaltig gestalten? Und welche Rolle können künftig Recycling und Kreislaufwirtschaft spielen?

Je schneller die Energiewende gelin gen soll und je mehr Länder sich daranbeteiligen, desto stärker wächst die Nachfrage nach bestimmten Rohstoffen – selbst dann, wenn sich neue technologische Verfahren mit reduzierten oder veränderten Bedarfen entwickeln. Insbesondere Metalle wie Lithium, Nickel, Kupfer und Seltene Erden stehen dabei im Fokus. Bei Letzteren schätzt die Internationale Energieagentur, dass der globale Bedarf bis 2040 um das Siebenfache steigen könnte. Zum Einsatz kommen die Seltenerdmetalle nicht nur in Hightech-Geräten wie Mobiltelefonen, Computern und Flachbildschirmen, sondern auch in Motoren von Elektrofahrzeugen und in Offshore-Windkraftanlagen. Nicht nur wegen ihrer Hitzebeständigkeit sind sie aus modernen Industrieprodukten nicht mehr wegzudenken. „Die Seltenen Erden haben spezifische Eigenschaften und lassen sich darum absehbar nicht ersetzen“, sagt Dr. Hildegard Wilken von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Gerade für die Transformation des Energiesystems seien sie von entscheidender Bedeutung: „Ohne Seltene Erden würden wir nicht vorankommen und blieben erst einmal auf fossile
Brennstoffe angewiesen.“

Mineralische Rohstoffe, Markt, Verteilung, China

Die Aufbereitung der Erze, aus denen die Metalle gewonnen werden, erfordert spezielles Know-how und findet nur in wenigen Produktionsstätten statt – überwiegend in China, aber auch in Malaysia, Estland und Russland. Von besonderer Relevanz sind dabei die Elemente Neodym und Dysprosium, ohne die sich nach aktuellem Stand der Technik keine ausreichend starken Permanentmagnete herstellen ließen. Bei der Förderung der Edelmetalle Platin und Palladium, die vor allem für Katalysatoren benötigt werden, besitzen hingegen Südafrika und Russland einen Marktanteil von rund 80 %. Kobalt, das nach wie vor in fast jeder Batterie enthalten ist, stammt zu 72 % aus der Demokratischen Republik Kongo, wo die Förderung zum Teil im illegalen Kleinbergbau, ohne Umweltauflagen und unter schlechten Arbeitsbedingungen stattfindet. Letzteres gilt im Übrigen auch für andere Metalle an verschiedenen Orten der Welt, zum Beispiel für Teile des Goldabbaus im Amazonas und diverse Seltenerdminen in China. Bergbau ist mit zum Teil erheblichen Umweltauswirkungen verbunden: Das geht vom mancherorts illegalen Abbau über einen enormen Flächen- und Wasserverbrauch sowie durch Säuren kontaminierte Gewässer und Böden bis hin zu radioaktiven Reststoffen, wie sie im Fall der Seltenen Erden auftreten.

Mineralische Rohstoffe, Autobatterie
Seltene Erden werden unter anderem zur Produktion von Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos benötigt. Die Batterien werden in den Unterboden des Fahrzeugs integriert.

Bergbau hat Konsequenzen für die Umwelt

„Egal, von welchen Metallen wir sprechen – wir müssen sie unter großem Aufwand extrahieren, und das hat Auswirkungen auf die Umwelt“, macht Dr.-Ing. Luis Tercero Espinoza vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) deutlich. „Was ich wichtig finde: Es gibt gewisse Auswirkungen vom Bergbau, die unausweichlich sind. Und es gibt andere, die wir durchaus beeinflussen können.“ Als Beispiel nennt er Gold, für das es industrielle Abbauverfahren gibt, die sich mit bestimmten Auflagen gut regulieren lassen. Daneben existiert aber auch die manuelle Förderung, die Einkommen sichert, aber bei der Quecksilber in Flüsse gelangt und Menschen vergiftet. Häufig sei es nicht eine Frage der Technologie, sondern der Kosten, macht Tercero Espinoza deutlich.
„Das Problem ist, dass wir als Konsumierende die Dinge möglichst billig einkaufen möchten. Und manche Länder sind bereit, diese Rohstoffe zu niedrigen Preisen auf den Markt zu bringen.“ Es brauche darum nicht nur gute Technologien, sondern auch eine nachhaltige Organisation und entsprechende Standards, um Bergbau sozial und umweltgerecht zu betreiben.

 Mineralische Rohstoffe, Luis Tercero Espinoza

Porträt Luis Tercero Espinoza

Dr.-Ing. Luis Tercero Espinoza (44) leitet das Geschäftsfeld Rohstoffe am Competence Center Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören die Themenfelder Rohstoffversorgungssicherheit, kritische Rohstoffe, Modellierung von Rohstoffkreisläufen und Abschätzung künftiger Rohstoffbedarfe.

Im Auftrag der zur BGR gehörenden Deutschen Rohstoffagentur (DERA) hat das ISI zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) die Studie „Rohstoffe für Zukunftstechnologien 2021“ erstellt. Darin untersuchen die Wissenschaftler:innen anhand von drei Szenarien den Bedarf an unterschiedlichen Rohstoffen für insgesamt 33 Zukunftstechnologien, die sie in fünf Cluster einteilen: Mobilität, Luft- und Raumfahrt, Digitalisierung und Industrie 4.0, Energietechnologien und Dekarbonisierung, Kreislauf- und Wasserwirtschaft sowie Strom- und Datennetzwerke. Das Ergebnis: Für elf der untersuchten Metalle könnte der Bedarf im Jahr 2040 zum Teil erheblich über der aktuellen Produktion liegen. Allerdings hängt dies entscheidend davon ab, welches Szenario tatsächlich eintritt – ob also die Nationen künftig einen nachhaltigen, mittleren oder fossilen Pfad beschreiten werden. So ist zum Beispiel der Bedarf an Scandium und Lithium im Nachhaltigkeitspfad sehr hoch, weil die beiden Metalle bei der Produktion von grünem Wasserstoff und in der Elektromobilität eine entscheidende Rolle spielen. Im fossilen Pfad dagegen würde die Nachfrage nach diesen Metallen in Zukunft viel geringer ausfallen. Bei anderen Metallen ist es genau umgekehrt. „Welche Rohstoffe besonders relevant sind, hängt immer davon ab, durch welche Brille man schaut“, erläutert Tercero Espinoza. „Darum sind realistische Einschätzungen, was die künftigen Bedarfe angeht, sehr schwierig.“

Mineralische Rohstoffe, Hildegard Wilken

Porträt Hildegard Wilken

Dr. Hildegard Wilken (60) leitet als Direktorin und Professorin der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) den Fachbereich Geologie der mineralischen Rohstoffe mit den Kernthemen Verfügbarkeit mineralischer Rohstoffe, Bergbau und Nachhaltigkeit sowie Lagerstätten wirtschaftsstrategischer Rohstoffe. Außerdem hat sie die Vize-Leitung der Abteilung Energierohstoffe, mineralische Rohstoffe.

Ziel: Abhängigkeiten verringern

Laut DERA-Rohstoffliste 2023 weisen fast die Hälfte der darin untersuchten Bergwerks-, Raffinade- und Handelsprodukte „erhöhte potenzielle Beschaffungsrisiken hinsichtlich des gewichteten Länderrisikos sowie der Angebotskonzentration auf“. Die Politik hat mittlerweile erkannt, dass die Unternehmen angesichts hoch konzentrierter Märkte und angespannter geopolitischer Lagen Unterstützung bei der Sicherung der Rohstoffversorgung benötigen. Die Bundesregierung will darum ihre 2020 beschlossene Rohstoffstrategie in den drei Schwerpunktbereichen Kreislaufwirtschaft,
Ressourceneffizienz und Recycling, Diversifizierung der Rohstofflieferketten sowie Sicherstellung eines fairen und nachhaltigen Marktrahmens mit zusätzlichen Maßnahmen ergänzen. Konkret geht es unter anderem darum, Rohstoffprodukte finanziell zu fördern und die Lagerung von Seltenen Erden zu subventionieren. Die EU-Kommission hat zudem kürzlich mit dem Critical Raw Materials Act einen Gesetzesvorschlag zur Sicherung der Versorgung mit kritischen Rohstoffen vorgelegt. Kernpunkte sind eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft, Rohstoffpartnerschaften mit verschiedenen Nicht-EU-Ländern sowie eine Erleichterung von Abbauprojekten innerhalb Europas. Dass eine solche Umstellung nicht von heute auf morgen möglich ist, zeigt beispielhaft das jüngst in Schweden entdeckte Vorkommen an Seltenen Erden. „Die dortige Menge ist im Weltmaßstab nicht sehr groß, könnte aber perspektivisch tatsächlich einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten“, erläutert BGR-Expertin Hildegard Wilken. „Allerdings bedarf es eines längeren Vorlaufs. Bevor so ein Projekt Ergebnisse erzielt, vergehen mindestens fünf bis zehn Jahre.“ Das größte Problem dabei sei nicht der Bergbau selbst, sondern die Aufbereitung: „Insbesondere bei den Seltenen Erden ist die Trennung der vielen verschiedenen Minerale ein aufwändiger mehrstufiger Prozess, für den es bestimmte Technologien und entsprechendes Know-how braucht. Und das müssen wir in Europa erst aufbauen.“ Global betrachtet seien im Bergbau und bei der Aufbereitung in den vergangenen Jahren keine grundsätzlich neuen Technologien oder Methoden entwickelt worden, so Wilken, und dies sei auch nicht zu erwarten. „Aber natürlich arbeiten die Unternehmen permanent an Effizienzoptimierungen, vor allem beim Einsparen von Energie und Wasser. Teilweise kommt dabei auch Robotik zum Einsatz.“

Mineralische Rohstoffe, Recycling
Kreislaufwirtschaft: Diese Vorgehensweise zielt darauf ab, Materialien und Ressourcen nach ihrem Lebenszyklus zu recyceln. Unter anderem Seltene Erden lassen sich auf diesem Weg wiedergewinnen – 56 Mio. t landen weltweit jährlich auf dem Müll.

 

Recycling als langfristige Option

Beim Thema Recycling gibt es für die Zukunft große Potenziale, die sich umsetzen ließen – wenn dies politisch und gesellschaftlich gewollt sei, betont Luis Tercero Espinoza. „Entscheidend ist hier die Frage, wie wir unsere Restbestände organisieren, damit sie tatsächlich recycelt werden können“, meint er. „Das hat mit Technologien und mit Entscheidungen von uns zu tun.“ Bei den Seltenerdmetallen zum Beispiel werden aktuell nur drei Prozent der leichten und acht Prozent der schweren Seltenen Erden recycelt. Das liegt auch daran, dass sie in den unterschiedlichen  Anwendungen sehr kleinteilig verbaut sind und ein Recycling oder eine Wiederaufbereitung häufig teurer ist als die Förderung neuer Rohstoffe. Hinzu kommt, dass Metalle etwa aus Windturbinen und E-Autos erst nach vielen Jahren in den Kreislauf zurückkehren, wenn diese das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. „Auf absehbare Zeit werden die meisten Rohstoffe darum weiterhin aus dem Bergbau kommen“, sagt der Fachmann. „Wir müssen es hinbekommen, das schonend zu machen und entsprechende Standards zu entwickeln. Das ist günstiger, als für die aktuell entstehenden Gesundheitsschäden und die Umweltzerstörung zu bezahlen – die wir ausblenden, weil sie am anderen Ende der Welt passieren.“ Trotz aller Herausforderungen blickt Hildegard Wilken optimistisch auf die Zukunft der Rohstoffgewinnung. „Rein geologisch betrachtet haben wir keine Knappheiten“, macht sie deutlich. „Entstehende Engpässe sind rein technologischer oder geopolitischer Natur, und dagegen lässt sich etwas tun. Das braucht nur Zeit.“ Ein Hoffnungsschimmer sei aus ihrer Sicht die Kreislaufwirtschaft: „Da müssen wir hin. Das ist ein neuer Ansatz, um aus den bestehenden Abhängigkeiten schneller herauszukommen.“

Text: Anne-Katrin Wehrmann