Wirtschaftsingenieurin zwischen Elektroengineering und Produktion

Brunel_Blog_Projektplanung

Ein Jahr nach ihrem Masterabschluss im Bereich Energiesysteme und Energiemanagement arbeitet die Brunel Mitarbeiterin Angelika Natke in einer Schnittstellenposition zwischen Engineering und Produktion: Beim Zughersteller Stadler plant sie für einen Großauftrag den Einbau aller elektrischen Apparate und Erdungen.

„Was mein aktuelles Projekt ausmacht? Das Zusammenspiel aus klaren Absprachen, hohen Leistungsanforderungen und der geforderten Kreativität bei der Entwicklung technischer Lösungen.“ Angelika Natke hatte schon während ihres Studiums konkrete Vorstellungen von der Arbeit einer Ingenieurin. „Meine Aufgabe bei Stadler erfüllt diese voll und ganz“, sagt die 26­Jährige, die seit Mai 2017 in der Einbauplanung Bindeglied zwischen nahezu allen an der Fertigung des FLIRT (Flinker Leichter Intercity­ und Regional­Triebzug) beteiligten Abteilungen ist. 58 dieser einstöckigen Züge, davon 20 Intercity­Elektrotriebzüge und 38 bimodale Regionaltriebzüge, entwickelt Stadler seit Oktober 2016 für ein britisches Eisenbahnunternehmen. Das Projekt umfasst die Produktion von vier Fahrzeugtypen mit insgesamt 378 Wagen und hat mit einem Volumen von 680 Mio. € für Stadler eine enorme Bedeutung, zumal es dessen erster Auftrag für ein Vollbahnprojekt eines Kunden aus Großbritannien ist. Mit über 1.400 seit 2004 verkauften Einheiten, die aktuell in 17 Ländern fahren, ist der FLIRT der meistverkaufte Zug des Systemanbieters, der mit über 7.000 Mitarbeitern an mehr als 30 Standorten in Europa, Afrika und den USA vertreten ist. Der Hauptsitz befndet sich in Bussnang (Ostschweiz) – hier arbeitet auch Angelika Natke. „Der FLIRT ist durch seine Leichtbauweise und wartungsfreie Konstruktion im Betrieb besonders umweltfreundlich und effzient“, erklärt die Wirtschaftsingenieurin, die aktuell zum einen Änderungsvorschläge seitens der Fertigungsabteilung bearbeitet und zum anderen die Disposition zur Erfassung aller elektrischen Apparate und Erdungen erstellt. Mit dem CAD­Programm CATIA V5 fertigt sie für jeden der vier Fahrzeugtypen 2D­Zeichnungen als Vorlage für die Produktion an und erstellt 3D­Modelle sowie Stücklisten, die dem Einkauf zur Beschaffung der Materialien dienen. „Die Arbeit mit CATIA V5 ist sehr dicht an der Wirklichkeit und ganz anders als die vereinfachenden Schemazeichnungen, die ich in einem Vorprojekt als Konstrukteurin im Elektro­Engineering angefertigt habe“, sagt Angelika Natke. Das dort gesammelte Know­how ist für ihre aktuelle Aufgabe dennoch von hoher Bedeutung.

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"Ich arbeite nun eng mit dem Elektro-Engineering von Stadtler zusammen. Da ich die Abläufe dort kenne, kann ich beide Abteilungen optimal unterstützen." 

 

So erhält sie vom Elektro­Engineering Vorgaben bezüglich der Anzahl und Art der Kabel, deren exakte Lage sie in der Einbauplanung bestimmt: „Wir erfassen hier in einer 2D­Zeichnung den Kabelverlauf sowie die Positionen aller elektrischen Geräte und Erdungsaugen, also der Anschlussmöglichkeiten zum Potenzialausgleich. Basierend darauf nimmt die Produktion die Verkabelungen vor.“ Da in den Zügen eine Vielzahl elektrischer und elektronischer Komponenten aufeinandertreffen, wie Fahrantriebe, Klimatechnik oder Informationstechnik, muss deren elektromagnetische Verträglichkeit garantiert werden. „Hierzu achten wir bei der Planung von Kabelverläufen oder elektrischen Apparaten auf Normen, wie die DIN EN 50121­1 zur Störfestigkeitsprüfung oder die DIN EN 50153­2 zu Schutzmaßnahmen bezüglich elektrischer Gefahren“, erläutert Angelika Natke. Von besonderer Bedeutung sind außerdem die entsprechenden länderspezifschen Richtlinien im Bahnverkehr. Denn bei der Produktion für einen Markt mit einem anderen Bahnstromsystem als in Deutschland oder der Schweiz müssen diverse Besonderheiten beachtet werden: Die Bahnstromnetze in Europa unterscheiden sich sowohl in ihrer Stromart (Gleichstrom, Wechselstrom oder Drehstrom) als auch in der Höhe der Spannung und der Frequenz. In Deutschland, Österreich und der Schweiz gilt einphasiger Wechselstrom mit 15kV und 16 2/3 Hz. In Großbritannien sind es 25kV und 50Hz. Alle Komponenten, die der Übertragung elektrischer Energie dienen, müssen dementsprechend konzipiert sein. Hierfür berücksichtigt Angelika Natke Normen wie die DIN EN 61287­1 für Stromrichter in Bahnfahrzeugen. Realisiert werden Natkes Planungen schließlich in der Montage, sodass sie auch mit diesem Fachbereich eng zusammenarbeitet. Regelmäßig spricht sie sich mit den Technikern in der Produktion ab, die im gleichen Gebäude arbeiten: „Beispielsweise sollte jüngst laut Erdungsliste eine Seitenscheibe geerdet werden. Ich traf mich mit den Verantwortlichen in der Produktion, denn dort wurde festgestellt, dass die Erdung nicht notwendig war: Die Seitenscheibe hatte keinen Metallrahmen. Ich habe die Erdungsliste entsprechend angepasst und diese Info an den Projektleiter weitergegeben. Er kommunizierte die Änderung dann allen am Projekt beteiligten Ingenieuren und dem Kunden“, erklärt Natke. 

Zusammenarbeit erfolgt Hand in Hand

 

„Es ist wichtig, dass wir Sachverhalte schnell und unkompliziert klären können. Denn die Deadlines des Projekts sind eng gesteckt. Dies führt zu einer außergewöhnlichen Disziplin in der Zusammenarbeit des Teams: Wir können uns in jedem Moment absolut aufeinander verlassen, was zum einen dafür sorgt, dass Planung und Montage Hand in Hand arbeiten, und zum anderen gerade mir als Berufseinsteigerin viel Sicherheit gibt“, so die Ingenieurin, die sich während ihres Studiums auch mit der Werkstoffkunde beschäftigt hat. Dies kommt ihr nun zugute, denn die meisten von den Technikern angeregten Änderungen betreffen den Austausch von Materialien: „So wurde von der Produktion angemerkt, dass eine Abdeckung an der Unterseite des Wagenkastens stark beansprucht wird und schnell rosten könnte. Das vorgesehene verzinkte Blech sollte besser durch hochwertigeren Edelstahl ersetzt werden. Gelegentlich muss auch die Länge der Schrauben oder das Gewinde geändert werden. Meine Aufgabe ist es dann, im Normteilkatalog eine passende Schraube zu fnden, diese im 3D­Modell mit CATIA V5 einzufügen und den Einkauf zu informieren, welche neuen Teile bestellt werden müssen“, sagt die Konstrukteurin. Die Einbauplanung des FLIRT soll im Herbst 2017 abgeschlossen sein, anschließend wird Angelika Natke die Produktion der Fahrzeuge bis zum Ende des Projekts Anfang 2018 betreuen. „Hier werde ich meine fachlichen Kompetenzen vor allem im Bereich der Elektro­ und Projektplanung weiter ausbauen.“ 

Text: Jörg Riedel
Copyright Fotografie: GfG / Gruppe für Gestaltung

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