
Qualitätsmanagement mit Präzision und Herzblut
In den Jahren 2015-2017 sicherte sich die Porsche Werksmannschaft mit ihrem 919 Hybrid die Langstrecken-Weltmeisterschaft (World Endurance Championship, WEC). Die erneute Titelverteidigung in 2018 ist erklärtes Ziel am Porsche Entwicklungs- und Motorsportzentrum in Weissach, erfordert jedoch viel Know-how und Leidenschaft. Teil des Teams im Jahre 2017: Brunel Spezialist Nandor Novak.
Teil des Teams: Brunel Spezialist Nandor Novak.
Prüfende Blicke ruhen auf dem Querlenker, der aus einem Testfahrzeug der Klasse Gran Turismo (GT) ausgebaut wurde – eine Kontrolle, die routinemäßig nach Proberunden des Rennwagens auf der hauseigenen Teststrecke erfolgt. Brunel Mitarbeiter Nandor Novak, Ingenieur für Qualitätsmanagement (QM) bei Porsche Motorsport in Weissach, ist zuständig für die Fahrwerktechnik, also für alles von den Rädern über die Bremsen bis zur Lenkung. Rasch entdecken seine kundigen Augen eine unscheinbare Verwerfung auf der Materialoberfläche des Lenkers, möglicherweise ein Anriss. Er wird seine Hypothese im Werkstofflabor mit metallographischen Analysen, einer Härte- und gegebenenfalls einer Bruchprüfung verifizieren. Es gilt, die Schadensursache schnell und eindeutig ausfindig zu machen, um dem Testteam kurzfristig Vorschläge zur Abhilfe unterbreiten zu können. Im Anschluss erarbeitet er zusammen mit hausinternen Abteilungen und Lieferanten eine grundsätzliche Problemlösung.
Weissach liegt circa 25 Kilometer westlich vom Porsche Stammwerk Stuttgart-Zuffenhausen. Hier sind etwa 6.500 Mitarbeiter für Entwicklung, Produktion und Einsatz der prestigeträchtigen Rennboliden engagiert – in Konstruktionsbüros, Werkstätten, auf Prüfständen und dem Testgelände. Neben dem aus Ungarn stammenden Fahrwerkexperten Novak sind im insgesamt 26 Mann starken QM-Team von Porsche Motorsport vier weitere Qualitätsingenieure für GT-Fahrzeuge zuständig: Sie überwachen jeweils die Teilbereiche Motor, Getriebe, Elektrik und Karosserie.
„Natürlich ist es eine motivierende Herausforderung, an der Weiterentwicklung einer so traditionsreichen Motorsportmarke mitzuwirken“, beschreibt Novak sein Engagement für Porsche. „Umso mehr, da ich in einem Team arbeite, in dem jeder mit eben soviel Kompetenz wie Leidenschaft bei der Sache ist.“ Denn erfolgreich im Rennsport und im Bau sportlicher Serienfahrzeuge ist nur, wer mit hoher technischer Fachkunde und Erfahrung schnell effiziente Lösungen parat hat.

Die Passion für den Motorsport teilt Nandor Novak seit seiner Jugend. Das Maschinenbaustudium in Ungarn ebnete ihm den Einstieg in die Fahrzeugtechnik. 2012 gründete er in seinem Heimatland ein eigenes Rennteam, das für den Shell Eco-marathon ein dreirädriges Fahrzeug mit Brennstoffzellen entwickelte und damit auf tausend Kilometern nur einen Liter Kraftstoff verbrauchte. Er war als technischer Richter der Formula Student Hungary tätig, bei der Studenten mit selbstkonstruierten Rennwagen gegeneinander antreten, später auch bei der Formula Student Germany. Deutsch lernte Novak bereits in der Schule. Intensive Kontakte ins Land der weltweit bekannten Automobilmarken hatte er nach dem Studium als Entwicklungsingenieur eines ungarischen Unternehmens. So führte ihn der Weg letztlich auch beruflich ans Ziel: zum Motorsport.
In seine Tätigkeit bei Porsche fließen auch seine Erfahrungen aus der Formula Student ein. Novak ist überzeugt: „Professionelle Konstrukteure und begeisterte Studenten brauchen den engen Schulterschluss. Beide lernen voneinander.“ Denn die Studenten-Teams erproben technische Lösungen, die abseits der ausgetretenen Pfade der Fahrzeugtechnik liegen, und auch dem erfahrenen Ingenieur noch den einen oder anderen Denkanstoß geben können.
Im Weissacher QM-Team ist der Ungar von der Entwicklungsphase eines Rennwagens bis zum Wettkampfeinsatz involviert. Zu Novaks Aufgaben zählt zunächst die Definition der Qualitätsanforderungen für neue Fahrwerksbauteile. Dazu sind Konstruktionszeichnungen zu prüfen und in der Wareneingangskontrolle beziehungsweise Bauteile-Vorprüfung die festgelegte Anlieferqualität zu sichern: Stimmen die technischen Merkmale und Kennwerte mit den geforderten überein? Liegen die Abmessungen innerhalb der Toleranzen? Wurde die Wärmebehandlung korrekt durchgeführt? Zur Beantwortung dieser und anderer Fragen nutzt er zum Beispiel mechanische Prüfmethoden, 3D-Vermessungen, Computertomographie und Röntgenprüfungen. Für die einzelnen Prüfschritte gibt es DIN- und ISO-Normen. Der gesamte Ablauf der Vorabprüfungen ist jedoch nicht normiert, sondern basiert auf Erfahrung und Know-how. „Manchmal“, so Novak, „reicht schon eine einfache optische Kontrolle.“ Besteht ein Bauteil die Vorabprüfung nicht, ist mit dem Lieferanten eine Optimierung in dessen Produktion abzustimmen – oder mit dem Spediteur eine Verbesserung der Logistikbedingungen im Falle eines Transportschadens.
Den zweiten Teil seines Tätigkeitsbereichs bestimmt die Analyse von Bauteilen, die bei Probefahrten im Rahmen der Produktentwicklung oder während der Rennen Schäden erleiden. Eine vordefinierte Folge von Analyseschritten gibt es auch hier nicht. Mit welchen Prüfmethoden die Schadensursache – wie im Eingangsbeispiel des Querlenkers – am schnellsten ermittelt werden kann, hängt vom Bauteil und seiner Beschädigung ab. Hat Novak die Ursache gefunden, stimmt er mit Projektmanagement, Entwicklung, Beschaffung und Disposition geeignete Gegenmaßnahmen ab. Dies kann eine Änderung des Materials oder der Konstruktion, aber auch der Wechsel zu einem anderen Lieferanten sein. Kompetenz und Engagement jedes Einzelnen, der schnelle Ideenaustausch und eine qualifizierte Entscheidungsfindung garantieren dann, dass Porsche auch beim nächsten Rennen an der Spitze mitfährt.
Die Vielseitigkeit seiner Aufgaben, die hohe Verantwortung, die Nähe zum Rennsport bis ins technische Detail – diese Vorzüge schätzt Novak an seiner Arbeit in Weissach. Nach gut einem Jahr Porsche Motorsport steht für ihn fest, dass seine berufliche Zukunft im Qualitätsmanagement und in der Entwicklung von sportlichen Automobilen liegt: „Es ist spannend und herausfordernd, in einem hochqualifizierten Team auf das gleiche hochgesteckte Ziel hin zu wirken. Meine Kollegen und ich haben jedenfalls voller Herzblut daran gearbeitet, damit Porsche den WEC-Weltmeistertitel in der Saison 2017 zum dritten Mal in Folge einfahren kann.“
Text: Dr. Ralf Schrank
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