Klassische Vorstellungsgespräche, bei denen sich Arbeitgeber und Bewerber face-to-face gegenübersitzen, sind längst nicht mehr die einzige Variante, die Unternehmen nutzen, um einen erfolgreichen Auswahlprozess für ihre offenen Stellen durchzuführen. Dank der technischen Möglichkeiten setzen Unternehmen auch immer häufiger auf Vorstellungsgespräche per Video, Skype oder Telefon. Wir verraten Ihnen, wie sich die Auswahlverfahren voneinander unterscheiden und welche Vor- und Nachteile technikgestützte Jobinterviews für Bewerber und Arbeitgeber mitbringen.
Das Face-to-Face-Interview
Die klassische Variante des Vorstellungsgesprächs ist uns allen bekannt: Der Bewerber und ein bis drei Ansprechpartner des Unternehmens treffen sich für das Vorstellungsgespräch in den Räumlichkeiten des Unternehmens und sitzen sich persönlich gegenüber. Nacheinander stellt sich sowohl das Unternehmen als auch der Bewerber vor und beide Seiten stellen Fragen zum Werdegang, zu Kenntnissen, Fähigkeiten sowie zu den Erwartungen. Während des Gesprächs können alle Beteiligten einen umfassenden Eindruck voneinander gewinnen. Der Bewerber erhält erste Einblicke in das Unternehmen, bekommt ein Gefühl für die Unternehmenskultur und trifft gegebenenfalls auf erste potenzielle Kollegen. Die Personaler und/oder Führungskräfte, die am Jobinterview teilnehmen, erhalten wiederum einen umfassenden Eindruck vom Bewerber: Während sie ihm oder ihr gegenübersitzen, können Sie nicht nur das Gesagte des Bewerbers aufnehmen, sondern auch ihre bzw. seine Gestik, Mimik und Körpersprache beobachten.
Das Video-Interview
Bei einem Vorstellungsgespräch per Video sieht das Kennenlernen von Bewerber und Arbeitgeber etwas anders aus. In diesem Fall findet das Jobinterview digital und zeitversetzt statt. Dafür bereitet das Unternehmen das digitale Vorstellungsgespräch vor, indem es Fragen, die normalerweise in einem persönlichen Gespräch gestellt werden, auf eine Software einspielt. Später loggt sich der Bewerber zu einer beliebigen Zeit in der Personalsoftware ein und beantwortet die dort abgespeicherten Fragen in Video-Form.
Der Ablauf des Videointerviews ist dabei wie folgt: Sobald der Bewerber die Personalsoftware des Unternehmens gestartet und sich dort mit seinen persönlichen Daten angemeldet hat, erscheint zur Begrüßung ein Willkommensvideo des Unternehmens. Der potenzielle Arbeitgeber stellt sich vor, erklärt dem Bewerber die Bedienung der Software und wünscht viel Spaß bei der Teilnahme. Im Anschluss werden dem Bewerber nacheinander Fragen zu seiner Person und Motivation sowie zu den Kenntnissen und Qualifikationen gestellt, die für die offene Position relevant sind. Dafür erscheint immer eine Frage in Textform auf dem Bildschirm, oftmals ergänzt um eine Audioaufnahme der Frage. Pro Frage bekommt der Bewerber dann mehrere Minuten Zeit, um sich eine Antwort zu überlegen und diese in die Webcam und das Mikrofon seines Computers zu sprechen. Nachdem die Antwort abgegeben wurde, beginnt der Prozess wieder von vorne und es erscheint die nächste Frage auf dem Bildschirm. Dieser Prozess wiederholt sich um die 10 Mal, sodass die Beantwortung der Fragen in etwa 45 Minuten dauert. Im Anschluss hat der Bewerber nur noch die Aufgabe, das fertig aufgezeichnete Video abzuspeichern und für das Unternehmen freizugeben. In der Regel schließt das Unternehmen das Interview mit einem weiteren kurzen Video, in dem es einen Ausblick zum weiteren Bewerbungsprozess gibt. Wann sich das Unternehmen das aufgezeichnete Video-Interview anschaut und dieses auswertet, ist völlig flexibel. Dies kann am nächsten Tag oder auch in der nächsten Woche sein. Die meisten Unternehmen achten jedoch darauf, dass sich der gesamte Bewerbungsprozess nicht zu sehr in die Länge zieht.
Vor- und Nachteile des Video-Interviews
+ hohe zeitliche Flexibilität
Sowohl der Bewerber als auch der Arbeitgeber können frei entscheiden, wann er oder sie das Video-Interview durchführen bzw. auswerten. Beide Parteien können unabhängig voneinander agieren und individuell schauen, wann das Interview am besten in ihren (Arbeits-)Alltag passt.
+ hohe örtliche Flexibilität
Für die Durchführung des Video-Interviews sind eine stabile Internetverbindung und ein Computer die einzigen notwendigen Voraussetzungen. Folglich kann das Vorstellungsgespräch nicht nur jederzeit, sondern auch von überall durchgeführt werden. Urlaube, Geschäftsreisen oder weit voneinander entfernte Wohn- und Arbeitsstandorte hindern nicht daran, dass Bewerber und Arbeitgeber für ein Vorstellungsgespräch zusammenkommen.
+ kein Reiseaufwand
Damit einher geht der Vorteil, dass auf Bewerberseite kein Reiseaufwand entsteht. Für klassische, persönliche Vorstellungsgespräche wird der Bewerber in der Regel in die Räumlichkeiten des Unternehmens eingeladen – dadurch entstehen Reisekosten und ein zeitlicher Aufwand, der über die reine Zeit des Vorstellungsgesprächs hinausgeht. Beides fällt bei einem Interview per Video weg.
+ vertraute Umgebung für den Bewerber
Ein weiterer Pluspunkt für den Bewerber ist die vertraute Umgebung, in der das Jobinterview durchgeführt werden kann. So hat es für viele Personen einen beruhigenden Einfluss, wenn das Vorstellungsgespräch in den eigenen vier Wänden stattfindet. Das eigene Arbeitszimmer Zuhause, die Küche oder auch das Wohnzimmer geben den Bewerbern Sicherheit und nehmen ihnen die Nervosität. Damit sich dieser Pluspunkt aus Sicht des Arbeitsgebers nicht ins Negative entwickelt, sollte die Umgebung, in der das Interview durchgeführt wird, jedoch mit Bedacht gewählt sein. Der Wohlfühlaspekt ist wichtig, Faktoren wie Ordnung und Professionalität sollten aber auch berücksichtigt werden.
+ detaillierte Auswertung durch den Arbeitgeber - mehr Aufmerksamkeit für den Bewerber
Ein entscheidender Vorteil, der sich für Arbeitgeber aus dem Video-Format ergibt, ist die Möglichkeit, sich die Videos der Bewerber mehrfach anschauen zu können. Dadurch können Personaler und Führungskräfte die Informationen der Bewerber genauer untersuchen und auswerten als es bei einem Face-to-Face-Interview der Fall ist. Denn auch wenn ein persönliches Vorstellungsgespräch mit hoher Aufmerksamkeit geführt wird, kann es passieren, dass die Ansprechpartner des Unternehmens Informationen des Bewerbers überhören oder spontan falsch interpretieren. Diesem Informationsverlust kann im Video-Interview entgegengewirkt werden, indem man sich das Interview ein zweites Mal anschaut oder eine zweite Person um Einschätzung des Gesagten bittet.
Für Bewerber ist dieser Aspekt insofern positiv, dass (gute) Kandidaten nicht vorschnell aussortiert werden. Wenn Bewerber motiviert sind und fachlich sowie persönlich gute Voraussetzungen für die offene Stelle mitbringen, wird das mit großer Wahrscheinlichkeit erkannt. Es wird sich ausreichend Zeit genommen, den Bewerber richtig einzuschätzen.
- Einseitige Kommunikation
Ein Nachteil, der bei Video-Interviews erkennbar ist, ist die einseitige Kommunikation. So übernimmt der Arbeitgeber die aktive Gesprächsrolle und der Bewerber die passive – auf der einen Seite werden Fragen formuliert, auf der anderen Seite werden Antworten gegeben. Diese Form der Kommunikation kann vor allem für den Bewerber unbefriedigend sein. Denn diese Art des Vorstellungsgesprächs lässt es für ihn nur bedingt zu, Rückfragen zu stellen und mehr über das Unternehmen und seine Ansprechpartner zu erfahren.
- Ungewohnte Situation für Bewerber
Video-Interviews sind im Recruiting längst noch nicht so etabliert wie persönliche Vorstellungsgespräche. Es liegt daher auf der Hand, dass diese Situation für Bewerber ungewohnt ist. Viele fühlen sich daher beim Gedanken an ein Video-Interview unwohl und befürchten, durch ein solches Auswahlverfahren schlechtere Chancen auf den Job zu haben. „Wie komme ich in einem Video rüber?“, „Erkennt die Person vor dem anderen Display, wer ich bin und wo meine Stärken liegen?“, „Kann ich auch über diesen digitalen Kanal mit Sympathie punkten?“ sind typische Fragen, die Bewerbern durch den Kopf gehen.
- Technische Umsetzung
Was auf der einen Seite ein Vorteil ist, kann auf der anderen auch ein Nachteil sein: die erforderliche Internetverbindung sowie die technische Umsetzung des Video-Interviews mit einem Desktop-PC, Tablet oder Laptop. Ein Nachteil ist es dann, wenn Bewerber nicht die Ausstattung oder das Know-how haben, um das Vorstellungsgespräch per Video erfolgreich durchzuführen. So könnte die Video-Software bei schlechter Internetverbindung stocken oder mitten im Interview abstürzen. Daher ist es wichtig, dass Bewerber sich vor dem Interview vergewissern, dass sie sich zumindest an einem Ort befinden, an dem grundsätzlich eine gute Internetverbindung besteht.
Wie bereitet man sich am besten auf ein Videointerview vor?
Das Wichtigste für ein erfolgreiches Videointerview ist, dass Sie sich in dem Gesprächsthema des Videointerviews bestens auskennen. Das heißt – handelt es sich dabei um ein vorbereitendes Jobinterview, dann sollten Sie sowohl zu den entsprechenden Fachthemen als auch zu Ihrer Expertise für die Position Auskunft geben können. Schlüpfen Sie in die Rolle des Experten und haben Sie Selbstvertrauen! Dann macht Ihnen so schnell keiner etwas vor. Sie sollten dafür auch gut über das Unternehmen, welches das Videointerview anbietet, informiert sein. Stellen Sie zudem sicher, dass technisch alles einwandfrei vorbereitet ist. Für ein Videointerview sollte die Geschwindigkeit des Internets stabil sein. Prüfen Sie zuvor auch die einwandfreie Funktionalität von Mikrofon und Kamera. Zudem sollten Sie dafür Sorge tragen, dass die Licht- und Geräuschkulisse für eine angenehme Gesprächsatmosphäre sorgt. Das bedeutet, Ihr Ansprechpartner, der sich später das Video anschaut, sollte Sie gut sehen können und nicht geblendet oder von störenden Geräuschen abgelenkt sein. Optimalerweise spielen Sie das Videointerview im Vorfeld einmal durch, etwa über ein virtuelles Meeting mit einem Familienmitglied und einer eigene Videoaufnahme. Damit stellen Sie sicher, dass Sie sowohl technisch als auch inhaltlich gut vorbereitet sind. Formulieren Sie z. B. mögliche Fragen, lassen Sie sich diese in unbekannter Reihenfolge stellen und beantworten Sie sie so als säßen Sie schon vor der „offiziellen" Kamera. Im ersten Moment ist einem diese Übung vielleicht unangenehm, sie wird sich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auszahlen. Denn Übung macht bekanntlich den Meister! Sie gewinnen so an Sicherheit und können durch das Feedback Ihres Gegenübers oder durch das Ansehen der Videoaufzeichnung aus kleinen Fehlern lernen und das Bestmögliche aus sich herausholen.