Predictive Maintenance mit Machine Learning

BCS Hildesheim, Brunel, Machine Learning, Predictive Maintenance

Die Zeit nagt auch an teurer Technik. Gerade bei komplizierter Wartung ist es deswegen wichtig, genau zu wissen, wann etwas kaputt geht – und Mitarbeitende nur dann zur Wartung einzusetzen, wenn
sie benötigt werden. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz bietet Brunel Car Synergies allen Kunden eine Lösung zur Predictive Maintenance an, welche die Reparaturzyklen von Maschinen verändern wird.

Künstliche Intelligenz (KI) ist, etwa in Form von Smartphones, längst in unseren Hosentaschen angelangt: Mittels Gesichtserkennung entsperren wir Geräte oder lassen uns Musik, Videos und Texte auf Basis unserer Vorlieben vorschlagen. „Wenn mein Gesicht nicht auf Anhieb erkannt wird, ist das kein Problem“, erklärt Dr. André Busche-Rittich. „Künstliche Intelligenz geht immer von einer Wahrscheinlichkeit aus.“ Der KI-Forscher arbeitet seit eineinhalb Dekaden mit Methoden des Maschinellen Lernens und ist seit 2013 bei Brunel Car Synergies am Standort Hildesheim beschäftigt. Hier forschen und entwickeln 80 Menschen im Bereich Embedded Systems – Produkte aus Hard- und Software – und liefern Lösungen für europäische Unternehmen aus der Agrar- und Bahntechnik, der Medizinbranche oder auch dem Sektor rund um erneuerbare Energien. Wie kann Künstliche Intelligenz sinnvoll in der Industrie eingesetzt werden? Um diese Frage dreht sich der Schwerpunkt von Dr. Busche-Rittichs Arbeit. Tatsächlich gar nicht so einfach, denn: „Bei industriellen Maschinen muss alles funktionieren und reibungslos ineinandergreifen. Da sind Wahrscheinlichkeiten keine idealen Voraussetzungen.“

In Bereichen, in denen KI jedoch nicht in Konflikt zu Kernanforderungen der Maschinen steht, kann ihr Einsatz aberdurchaus einen datengetriebenen Zusatznutzen leisten. Nach sorgsamen Überlegungen entschloss sich das Team um Dr. Busche-Rittich für das Feld der Predictive Maintenance – also der vorausschauenden Wartung. „Die meisten industriellen Maschinen verfügen über eine Menge Sensoren“, erklärt er. „Dort setzen wir an, sammeln so viele Daten wie möglich, interpretieren sie mithilfe von KI und schaffen auf diese Weise einen Mehrwert.“ Nämlich den, die Restlebensdauer von Maschinen und Einzelkomponenten genau abzuschätzen. Was erst einmal unspektakulär klingt, bringt langfristig eine Menge Vorteile. Denn dank Predictive Maintenance ist Schluss mit starren Wartungsintervallen. „Das Ziel ist, dass sich die Maschinen selbst prüfen“, erklärt Busche-Rittich. „Im ersten Schritt messen sie kontinuierlich Kennzahlen – beispielsweise ob es genug Öl im Lager gibt.“ Die erhobenen Daten können sich über alle erdenklichen Aspekte erstrecken – von Resonanzschwingungen über Stromfluss, von Temperaturen über Drücke bis hin zum tatsächlichen Ausfall.

Optimierte Ressourcen, besserer Service 

Im zweiten Schritt kommt die Künstliche Intelligenz ins Spiel. Sie gleicht diese Daten permanent ab – unter anderem mit gelernten Grenzwerten und Kombinationen, an denen etwas zu Bruch ging. Gleichzeitig beobachtet die KI den Trend der Werte: Wie lange geht es bei der aktuellen Entwicklung noch gut, bis die Grenzwerte erreicht sind? Auf diese Weise lassen sich notwendige Wartungen nicht erst erkennen, wenn sie unabdingbar werden. Mitarbeitende können frühzeitig planen, wie und wann sie welche Maschinen auf Vordermann bringen müssen. Gerade bei Maschinen wie beispielsweise Windkraftanlagen, die offshore installiert sind, kann ein riesiger Mehrwert entstehen. „Stellen Sie sich vor, ein Dichtungsring hält der salzhaltigen Luft auf See nicht 100-prozentig stand – das können Sie frühzeitig daran erkennen, dass sich der Reibungswiderstand des Getriebes unvorhergesehen ändert.“ Mithilfe von Predictive Maintenance lässt sich nun noch zusätzlich abschätzen, wann das geschädigte Getriebe den kritischen Bereich erreicht und droht, kaputt zu gehen.

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André Busche-Rittich

Dr. André Busche-Rittich (40) promovierte an der Universität Hildesheim im Bereich Machine Learning zum Thema automatisierte Erkennung geometrischer Strukturen in Bilddaten und medizinischen Daten. Seit Januar 2013 arbeitet er bei Brunel Car Synergies am Standort Hildesheim und entwickelt dort datengetriebene Lösungen für die Industrie – mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz und Machine Learning. © Gruppe für Gestaltung GmbH / Michel Iffländer

„Predictive Maintenance ist das Interesse an der Tendenz zum Schlechten“, fasst Dr. Busche-Rittich zusammen. Unternehmen können nun den idealen Zeitpunkt der Wartung abwarten – und beispielsweise Wartungstermine bündeln. Anstatt drei Fahrten auf das Meer für drei unterschiedliche Anlagen durchzuführen, erledigt das Techniker-Team alle drei Wartungen auf einen
Schlag. „Dadurch verringere ich die Wartungs- und Personalkosten pro Anlage spürbar“, erklärt Dr. Busche-Rittich. Letztendlich hilft Predictive Maintenance also, Ressourcen besser einzusetzen. Der KI-Forscher betont: „Es geht nicht darum, Personal einzusparen, sondern die Technikfachkraft dabei zu unterstützen, besseren Service zu bieten und einen größeren Gerätepool zu betreuen.“

Dr. André Busche-Rittich vor seinem selbstentwickelten Demonstrator eines Windkanals zur Luftstrommessung. © Gruppe für Gestaltung GmbH / Michel Iffländer

Transfer Learning als Herausforderung

Um den Algorithmus zu befähigen, muss er mit Daten gefüttert werden – solchen, die der KI sagen, wo die Grenzen eines Bauteils oder einer Maschine liegen. „Das heißt eigentlich: kaputtmachen“, so der gebürtige Hildesheimer. Um nicht tausende teure Maschinen zu zerstören, arbeitet das Team mit einem anderen Prinzip. „Ich kann die Maschine durch die KI an bestimmte Grenzen fahren lassen, und ihr dann sagen: Stopp, das Bauteil geht bald kaputt.“ Auf diese Weise entsteht eine mehrdimensionale Datenkugel, die zum Beispiel aus grünen und roten Datenpunkten besteht. Diese definieren jeweils einen Gut- oder einen Schlecht-Zustand. „Wichtig ist es dann, Trends aus Zeitreihen zu erstellen. Denn ich möchte nicht nur wissen, dass etwas kaputtgeht, sondern abschätzen können, wann.“ Idealerweise werden die Daten ständig erweitert – durch die Maschinen im Einsatzfeld.

Um die Technologie greifbar zu machen, entwickelte Dr. Busche-Rittich einen Windkanal als Referenzprojekt zum Anfassen – einen Demonstrator. „Er besteht aus einem Lüfter auf der einen Seite, den ich in der Geschwindigkeit variieren kann“, erklärt er. „In einem freien System strömt die Luft in einer bestimmten Geschwindigkeit hindurch. Doch was passiert, wenn ich den Luftstrom blockiere oder von außen störe? Dann zeigen Sensoren dies an – und die KI berechnet den Trend der Veränderung.

Allerdings sei die Machine-Learning-Technologie weiterhin stark anwendungsbezogen, unterstreicht Dr. Busche-Rittich die aktuellen technologischen Grenzen: „Unsere KI-Modelle sind zwar äußerst
hilfreich, zugleich aber auch ‚Fachidioten‘, die eigentlich nicht wissen, was sie tun.“ Dadurch lassen sie sich nicht von einer Maschine auf eine andere übertragen – teilweise sogar dann nicht, wenn es
sich um dieselbe Aufgabe an einer anderen Maschine handele. „Sobald ich die Art der Sensordaten ändere, nimmt der Lernprozess wieder Zeit in Anspruch.“ Dieses Transfer Learning ist die nächste große Herausforderung der KI-Forschung. Künstliche Intelligenz steckt zwar in unseren Hosentaschen, aber dennoch in den Kinderschuhen

Text: Jonathan Fasel