Innerhalb von acht Jahren, zwischen 2009 und 2017, ist am Rande eines Gewerbegebietes in der Metropolregion Hamburg der 3,4 km lange Röntgenlaser European XFEL entstanden. XFEL steht dabei für „X-Ray Free-Electron Laser”, also Freie-Elektronen-Laser mit Röntgenstrahlung. Die Anlage, die auf drei Betriebsgelände verteilt ist, verläuft zum Großteil unterirdisch und reicht vom DESY-Gelände in Hamburg bis zur Stadt Schenefeld in Schleswig-Holstein. Zwölf Länder und zahlreiche internationale Partner, darunter das DESY-Forschungszentrum als Hauptgesellschafter, sind an dem insgesamt 1,22 Milliarden Euro teuren Projekt beteiligt. Deutschland zahlt davon 58 Prozent. Russland übernimmt 27 Prozent und die anderen internationalen Partner zwischen einem und 3 Prozent der Baukosten.
Lasertechnik der Superlative
Ein Prestigeobjekt deutscher Forschungspolitik – so priesen Wissenschaftler Anfang der 2000er-Jahre den European XFEL an. Und das Ergebnis ist in der Tat spektakulär: Jede Sekunde kommen im Inneren des weltweit größten Röntgenlasers 27.000 extrem intensive Laserlichtblitze mit einer Wellenlänge von weniger als einem zehnmillionstel Millimeter an. Mithilfe der Röntgenblitze können Physiker, Biologen und Materialforscher tief ins Innere der Materie blicken, chemische Reaktionen filmen und Verhältnisse erzeugen, wie sie auf fernen Planeten und Sonnen herrschen.
Funktionsweise des Röntgenlasers
Die Erwartungen an den Laser der Superlative sind hoch: Wissenschaftler erhoffen sich, durch die einzigartigen Röntgenblitze völlig neue Forschungsfelder erschließen zu können. So lassen sich anhand der ultrakurzen Laserlichtblitze – deren Leuchtstärke milliardenfach höher ist als herkömmliche Röntgenstrahlungsquellen – atomare Details von Viren und Zellen entschlüsseln, dreidimensionale Aufnahmen aus dem Nanokosmos machen und Vorgänge wie die im Inneren von Planeten untersuchen. Internationale Forschergruppen können den Laser für einige Tage oder Wochen nutzen, um ihre Experimente durchzuführen.
Zur Erzeugung der laserlichtartigen Röntgenstrahlung werden Elektronen zunächst gebündelt auf hohe Energien und nahezu Lichtgeschwindigkeit gebracht und durch spezielle Magnetanordnungen, sogenannte Undulatoren, gelenkt. Die Teilchen senden Licht aus, das sich zunehmend verstärkt. Dadurch entsteht schließlich ein extrem kurzer und intensiver Röntgenblitz. Forscher können bei ihren Experimenten auf verschiedene Messplätze zurückgreifen. Auch wenn ihre Versuche ganz unterschiedlicher Art sind, ist deren prinzipieller Aufbau stets gleich: Mithilfe von optischen Elementen wie Spiegel oder Kristalle können die Röntgenblitze aufgeweitet, gebündelt, gefiltert oder abgeschwächt werden. Sie treten mit den Proben in Wechselwirkung. Die Ergebnisse werden durch spezielle Nachweisgeräte beobachtet und analysiert. In einem Kontrollraum können die Wissenschaftler den Ablauf ihrer Experimente beobachten.
Der XFEL im Vergleich zur Konkurrenz
Ob sich der EUROPEAN XFEL auch weiterhin im internationalen Vergleich behaupten kann, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Denn derzeit entsteht in den USA ein neuer Röntgenlaser, der den XFEL in den Schatten stellen soll: Die Pläne sehen vor, dass in der LCLS-II genannten Anlage, die noch im Jahr 2020 ihren Betrieb aufnehmen soll, sage und schreibe eine Million Blitze pro Sekunde abgefeuert werden könnten. Bisher allerdings ist der XFEL einzigartig und bietet gegenüber bereits bestehenden, ähnlichen Anlagen immense Vorteile: „Dank unseres supraleitenden Beschleunigers haben wir den kräftigsten Röntgenstrahl und somit mehr Intensität als alle anderen Quellen zusammen", fasst XFEL-Geschäftsführer Robert Feidenhans’l zusammen.
Text: Elisabeth Stockinger
Fotografie Copyright: European XFEL