Digitale Führung: Effizienz durch Vertrauen und klare Regeln steigern

Jessica Enslein im Training

Die rasante Entwicklung von Technologie und Gesellschaft, das Voranschreiten von Globalisierung und Digitalisierung und nun die Corona-Pandemie: Um wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben, müssen Unternehmen ihre Führungsansätze überdenken. „Hauptaufgabe für uns in der Personal- und Führungskräfteentwicklung ist es derzeit, alle Mitarbeiter im Unternehmen mit digitalen Arbeitsweisen vertraut zu machen – die Führungskräfte ebenso wie ihre Teams“, erläutert Jessica Enslein, Vertriebstrainerin bei der Brunel GmbH. Welche Ziele und Herausforderungen dies mit sich bringt, erklärt sie im Interview.

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Was bedeutet Führung in digitalisierten Unternehmen?

Um die Potenziale der Digitalisierung optimal auszuschöpfen, stellen Unternehmen ihre Prozesse auf den Kopf und konzipieren mithilfe neuer Technologien kontinuierlich neue Abläufe. Dabei verändert sich auch die interne Zusammenarbeit. Durch Tools wie Microsoft Teams, Trello, Slack oder Skype wandeln sich beispielsweise die Arbeitsweise und die Kommunikation: Informationen werden ortsunabhängig und schneller ausgetauscht, Dokumente gemeinsam bearbeitet und Arbeitsergebnisse in Summe effizienter erzielt. Entsprechend müssen Führungskräfte über Medienkompetenz verfügen, um die passenden digitalen Prozesse für Ihr Team auszuwählen und einzusetzen.

 

 

Welche Aufgaben fallen dabei den Führungskräften zu?


Führungskräfte werden für ihre Mitarbeiter zu Sparringspartnern und Coaches und unterstützen sie dabei, selbstständig komplexe Situationen zu lösen. Denn Hierarchien und Arbeitsstrukturen nehmen in digitalisierten Unternehmen ab – Geschwindigkeit, Diversität und Komplexität dafür zu. Um trotzdem Orientierung zu bieten, müssen Führungskräfte die Unternehmenskultur mit Leben füllen, ambitionierte Ziele haben, klare Strategien verfolgen und Leitlinien bieten. Um optimal zu inspirieren und zu motivieren, sollten Führungskräfte ihren Mitarbeitern Flexibilität und Freiräume zugestehen, Vertrauen schenken und Verantwortung übertragen. So beschreibt es auch der österreichisch-US-amerikanische Philosoph Frithjof Bergmann, der als Begründer der „New Work“-Bewegung gilt.

Training von Jessica Enslein

 

Welchen Einfluss spielt bei alldem die technische Ausstattung?

Eine sehr große! Jeder Mitarbeiter sollte über den Einsatz technischer Medien Schnelligkeit, Agilität und auch eine individuelle Selbstverwirklichung erlangen können. Die Technik trägt zum schnellen und bei Bedarf weltweiten Austausch zwischen Kollegen bei und fördert so Kollaboration und Diversität in Unternehmen.

 

 

Müssen für die digitale Zusammenarbeit Regeln formuliert werden?


Ja, ein klarer Leitfaden ist hier ganz entscheidend. Damit die Führungskraft etwa ihre Rolle als Coach und Sparringpartner einnehmen kann und nicht – wie bisher – die einer Kontrollinstanz, empfehle ich einen kontinuierlichen Austausch über die Arbeitsfortschritte. Die Mitarbeiter auf der anderen Seite sollten ihre Arbeitsprozesse transparent machen. Ein konkretes Beispiel hierfür ist die Zusammenarbeit mit Microsoft Teams. Mit diesem Tool können die einzelnen Teammitglieder ihre (vorläufigen) Arbeitsergebnisse jederzeit mit der Führungskraft teilen und gemeinsam daran arbeiten. Dabei steigert die moderne Kollaboration aber nur dann die Teameffizienz, wenn die Führungskraft Vertrauen in ihre Mitarbeiter hat. Die Tools stellen nur die Weichen für eine fehlertolerantere Kultur. Unabhängig von den gewählten Regeln gilt: Sie dürfen nicht von Führungskräften vorgegeben werden. Das Team sollte mit in die Verantwortung genommen werden – sowohl bei der Entwicklung als auch der Umsetzung. So wird eine Identifizierung geschaffen, die dafür sorgt, dass ich mich als Mitarbeiter mit Leidenschaft einbringe und die Arbeitsergebnisse stimmen.

 

 

Gibt es typische Herausforderungen im Rahmen der digitalen Zusammenarbeit? 


Für Führungskräfte, die in traditionellen und machthierarchischen Strukturen „aufgewachsen“ sind, ist die Offenheit des Digital Leadership eine große Herausforderung. Mitarbeiter sollten ihrer Führungskraft die Chance geben, diese neue Rolle zu verinnerlichen, Veränderungen umzusetzen und sie mit regelmäßigem und ehrlichem Feedback unterstützen. Das erfordert natürlich die Bereitschaft der Führungskraft, diese Rückmeldungen auch wertschätzend anzunehmen. Im Idealfall wächst ein Team so gemeinsam.

 

 

Und wenn Unternehmen die digitalen Möglichkeiten nicht nutzen?


Aus meiner Sicht ist dies ein Fehler, denn die digitale Arbeitsweise sichert die Zukunft der Unternehmen: Nur so können sie Offenheit signalisieren, ihre Innovationskraft und Attraktivität als Arbeitgeber steigern und auf diese Weise ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten.

 

 

Inwiefern wird bei Brunel digital zusammengearbeitet?


Brunel nutzt in der gesamten Organisation Microsoft Teams sowie eine moderne interne Kommunikationsplattform, die auf Sharepoints aufbaut. Das war schon vor der Corona-Pandemie der Fall. In den vergangenen Monaten haben wir jedoch spannende Erfahrungen im Umgang mit Remote Working, also dem örtlich flexiblen Arbeiten, gesammelt und betrachten diese Phase daher als Herausforderung und Chance zugleich. Beispielsweise setzen wir verstärkt auf unseren Modern Workplace: Durch die Anwendung moderner Kollaborationstools wird für alle transparent, an welchen Projekten die anderen Teammitglieder gerade arbeiten und wie der Status dieser Projekte ist. Durch diese sichtbare Diversität verändert sich die Teamkultur, die informelle Organisation wird gestärkt, Arbeitsprozesse können besser gesteuert und so beschleunigt werden. Bei Brunel haben wir daher Prozesse in einzelnen Abteilungen wie Human Resources digitalisiert und auch die Onboarding-Prozesse neu definiert. All dies erfordert natürlich auch bei uns ein Umdenken bei Führungskräften und Mitarbeitern – wie oben beschrieben. 

 

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Jessica Enslein

Vita

Jessica Enslein (43) arbeitet seit über sechs Jahren bei Brunel als Vertriebstrainerin im Bereich HR-Development.

Die Betriebs- und Kommunikationspsychologin unterstützt den Vertrieb in der persönlichen und fachlichen Entwicklung. Mit über 15 Jahren Erfahrung in der Personalentwicklung führt Enslein individuelle Trainings, Teamworkshops und Coachings durch und orientiert sich dabei an den aktuellen HR-Trends.

New Work: Die Zukunft der Arbeit

Was wollen wir in unserem Leben erreichen? Warum üben wir überhaupt unseren Beruf aus? Wollten wir Ingenieur werden, weil wir uns schon immer für Technik interessiert haben? Oder werden wir Ingenieure, weil es den Beruf nun einmal gibt? Genau an diese Fragestellung knüpft das Konzept von „New Work” an, das auf den amerikanischen Professor Frithjof Bergmann zurückgeht. Seine These besagt, dass das ursprüngliche Jobsystem, wie wir es kennen, am Ende ist. Er stützt sich dabei auf den grundlegenden Wandel in der Arbeitswelt, der auf die zunehmende Digitalisierung und Globalisierung sowie den demografischen Wandel zurückzuführen ist. Seine Definition von „New Work” koppelt sich an Werte wie Selbstständigkeit, Freiheit und die Teilhabe an der Gemeinschaft. Themen wie Teil- und Gleitzeit, Jobsharing, Homeoffice und Remote Work sowie die generelle Flexibilisierung von Strukturen, Denkmustern und Gewohnheiten spielen dabei wichtige Rollen.