Ein Renntag mit René Rast

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Die Arbeitstage von René Rast, DTM-Champion von 2017 und Vize-Champion 2018, sind ebenso spannend wie abwechslungsreich. Denn der Sportler ist nicht nur in alle technischen Entscheidungen rund um sein über 500 PS starkes Arbeitsgerät eingebunden. Neben Trainings, dem Qualifying und dem Rennen zählen auch viele Termine abseits des Sports zu seinem Pensum: Team-Meetings, Briefings, Pressetermine, Interviews oder Autogrammstunden.

Ein paar Möwen kreischen, in der Ferne sind vereinzelt Autos zu hören. Ansonsten ist es ruhig, als René Rast am Rennsamstag um 7 Uhr sein Hotel im niederländischen Küstenort Zandvoort verlässt. Der amtierende Vize-Champion ist bester Laune. Mit seinem roten Motorroller fährt er rund zehn Minuten bis zu den drei Boxen von Audi Sport auf dem Circuit Park Zandvoort. Neben seinem RS 5 DTM wird der Roller heute Rasts Hauptfortbewegungsmittel sein. In der Box angekommen, begrüßt er seine Mechaniker. Damit jeder Handgriff sitzt, hat jedes Ersatzteil oder Werkzeug seinen festen Platz – egal an welchem Austragungsort während der sechsmonatigen DTM-Saison.

Der eigentliche Arbeitstag für René Rast startet gegen 8 Uhr mit einem 20-minütigen Daily Briefng. Neben den Fahrern nehmen alle Renningenieure, technischen Direktoren sowie Teamchefs der Einsatzteams von Audi Sport daran teil. Insgesamt schickt der Automobilhersteller drei Teams mit je zwei Fahrern in diese DTM-Saison. René Rast startet gemeinsam mit dem Briten Jamie Green für das Team Rosberg, das direkt nach dem Daily Briefng in einer internen Besprechung die Performance der beiden Rosberg-Audis am Vortag diskutiert. Denn bereits am Freitagnachmittag haben Rast und Green einige Trainingsrunden auf dem Circuit absolviert. Nun wird das Set-up, also die Abstimmung des Autos in den Bereichen Aerodynamik und Fahrwerk, für das um 9:20 Uhr startende zweite freie Training fnal festgelegt. Umgesetzt werden die Entscheidungen der beiden Chefmechaniker und ihrer jeweils dreiköpfigen Mechaniker-Crew, die sich wie alle Teams seit 20:15 Uhr am Freitag an die Overnight Parc Fermé-Regelung halten mussten.

Während die Mechaniker den Wagen einstellen, tauscht René Rast in seiner Kabine Shirt und Hose gegen seinen Rennoverall. Obwohl rund um die Boxengasse mittlerweile Trubel herrscht, in den Nachbarboxen erste Motoren angelassen und Reifen gewechselt werden, ist es in dem kleinen Raum ruhig – und sehr ordentlich. „Ich habe kaum Rituale bei den Rennen“, sagt Rast, „wichtig ist mir aber ein immer gleiches System in meiner Kabine und vor allem in meinem Spind.“ Nach dem Umziehen geht er in die Box und bespricht mit seinem verantwortlichen Fahrzeugingenieur letzte Details. Der Maschinenbauingenieur arbeitet in der zweiten Saison mit dem Rennfahrer zusammen und ist für alles zuständig, was an dem „Joyce“ genannten roten Renner montiert, repariert oder justiert wird. Anschließend setzt René Rast seinen Helm auf und nimmt konzentriert in seinem Wagen mit der Nummer 33 Platz. Er betätigt den Anlasser und fährt langsam die Boxengasse entlang, um dann auf der Strecke 30 Minuten lang Gas zu geben, Bremspunkte und Kurvenführungen zu testen und ein optimales Gefühl für die mit feinem Sand überzogene Rennstrecke zu bekommen. Denn der Circuit Park liegt inmitten von Dünen. Die Kombination aus Sand, zum Teil böigem Wind und dem anspruchsvollen Parcours machen Zandvoort zu einer der Lieblingsstrecken von nahezu allen DTM-Fahrern.

Das Training wird um 10 Uhr in einem teaminternen Meeting mit den Fahrzeug- und Dateningenieuren sowie den beiden Fahrern analysiert. Routiniert führt der technische Direktor durch die Besprechung, bittet einen nach dem anderen um sein Feedback. René Rast zeigt sich zufrieden mit der Balance und dem Speed seines Wagens und hört dann mit großem Interesse seinem Datentechniker zu. Dieser hat unter anderem einen Überblick über den Öl- und Reifendruck und ob der Wagen über- oder untersteuert hat. Vor allem aber sieht er, welche Linie Rast gefahren ist, wann und wo er beschleunigt oder gebremst hat – und kann diese Daten mit denen der fünf anderen Audi-Piloten vergleichen. Bereits auf dem Weg zu dem Meeting hatte er Rast rund 30 DIN-A4-Blätter mit den Aufzeichnungen der Sensoren gegeben, auf die der Pilot nun immer wieder schaut. Tatsächlich liegt hier eine große Stärke von René Rast: Basierend auf seinen Trainingssessions und den Schaubildern entwickelt er seine Rennstrategie. Entsprechend zieht er sich nach dem Meeting in seine Kabine zurück, um die Daten und die Strecke immer wieder durchzugehen. Erst um 10:45 Uhr geht er zurück in die Box, denn 30 Minuten später startet das Qualifying für das erste Rennen des Wochenendes. Um 11:35 Uhr steht fest: René Rast wird an Position neun ins Rennen gehen.

"René weiß am besten, wie er fahren muss"

In der Stunde zwischen Qualifying und Rennen beratschlagt sich René Rast erneut mit seinem Team und studiert anschließend aktualisierte Datenblätter. Parallel checkt seine Mechaniker-Crew unter anderem die Schrauben und Fahrwerkskomponenten von Joyce – weitere Abstimmungsarbeiten sind zwischen dem Qualifying und dem Rennen nicht zugelassen. Grundsätzlich fahren alle DTM-Teams mit V8-Motoren, deren Parameter wie maximal vier Liter Hubraum oder vier Ventile pro Zylinder einheitlich sind. Minimale Modifzierungen des Motors sind jedoch vor Beginn der Saison erlaubt – welche das sind, bleibt dabei Team-Geheimnis. Obwohl er selbst kein Ingenieur ist, kennt René Rest seinen Boliden genau und ist in dessen alljährlich im Januar startende Entwicklung stark eingebunden.

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Nach einem leichten Mittagessen in seiner vier Quadratmeter großen Kabine bespricht sich Rast auf dem Weg in die Box mit seinem Berater und Freund Dennis Rostek. Der 44-Jährige war selbst Rennfahrer und begleitet die Karriere von René Rast seit zehn Jahren. Rostek weiß, dass er seinem Schützling so kurz vor dem Rennstart keine taktischen Tipps mehr mitgeben muss. „René ist Prof und weiß selbst am besten, wie er fahren muss“, sagt Rostek. Vielmehr zählt dieses letzte Gespräch zur Routine des Duos. Wie vor dem Qualifying wechselt René Rast in der Box einige Sätze mit seinem Fahrzeugingenieur und dreht dann wie die anderen Piloten eine Einführungsrunde, bevor er seinen Platz für das um 13:33 Uhr startende Rennen einnimmt und den Motor ausmacht. Ausgewählte Fans und Sponsoren sowie Pressevertreter haben nun die Möglichkeit, Sportlern und Fahrzeugen während der 30-minütigen Grid-Presentation ganz nahe zu kommen. René Rast steht lächelnd und entspannt inmitten der Menschenmenge. Von Aufregung ist bei ihm keine Spur. „Ich freue mich einfach auf das Rennen“, sagt er. Nach 15 Minuten ertönt das erste von drei Signalen, das den baldigen Start ankündigt – nach dem dritten müssen alle außer den Fahrern die Strecke verlassen. Dennis Rostek berührt ein letztes Mal die Kohlefaser-Karosserie und geht dann in die Box, um das Rennen von dort aus zu verfolgen.

Während hinter dem hohen Zaun, der die Boxengasse von der Rennstrecke trennt, die Motoren nach dem Startsignal aufheulen und dann im Anderthalb-MinutenTakt lautstark vorbeirauschen, herrscht in der Box routinierte Betriebsamkeit. Die Dateningenieure beobachten ihre Rechner, die Mechaniker stehen vor TV-Bildschirmen oder checken ihr Werkzeug. Direkt an der Rennstrecke verfolgen die Teamchefs, die technischen Direktoren sowie die Fahrzeugingenieure das Renngeschehen ihrer Fahrzeuge an mehreren Monitoren. Gesprochen wird in der Box des Teams Rosberg kaum und wenn, dann leise – ganz so, als wolle das Team die Konzentration von René Rast nicht stören. Als der sich Platz für Platz weiter nach vorn arbeitet, nimmt die Anspannung zu. Denn nach einer bisher durchwachsenen Saison mit technischen Problemen und Unfällen rückt die erste Top-Platzierung in greifbare Nähe.

Safety Car verhindert Podiumsplatzierung

Die Strategie, spät die Reifen zu wechseln, scheint aufzugehen: René Rast führt mittlerweile das Feld an und sein Vorsprung wächst auf 24 Sekunden. Doch nach einem leichten Unfall eines anderen Fahrers in Runde 20 folgt eine Safety-Car-Phase, in der alle Piloten aufschließen können. Da Rast als Einziger noch seinen Pflichtreifenwechsel absolvieren muss, beendet er das Rennen auf dem 17. Platz. Seine Miene nach der Ankunft in der Box spiegelt seine Enttäuschung wider. Kurz spricht er mit seinem Berater, klatscht sich mit seinen Mechanikern ab und setzt sich dann in der gewohnten Runde zum 20-minütigen De-Briefing zusammen. Die Stimmung ist gedämpft, aber langsam macht sich leiser Optimismus breit: Denn Joyce hat im Gegensatz zu den vorherigen Saison-Rennen eine optimale Leistung gezeigt. „Was zählt, ist, dass ich ein gutes Auto und eine gute Pace hatte“, fasst René Rast zusammen. „Wir hatten heute Pech, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir diese Leistung erneut abrufen können.“ Nach dem De-Briefng hat René Rast einen kurzen Moment für sich und geht in seine Kabine, um seinen Rennanzug wieder gegen das rote Poloshirt zu tauschen. Doch viel Zeit bleibt ihm nicht: Um 15:20 Uhr beginnt ein PR-Marathon: Interviews mit Zeitungs-, TV- und Radio-Redakteuren wechseln sich mit Autogrammstunden ab. Da die Termine über das gesamte Gelände verteilt sind, greift Rast auf seinen Motorroller zurück. Auch hier zeigt sich der Rennfahrer als Prof: Besonnen und mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht beantwortet er die Fragen der Journalisten. Geduldig unterschreibt er Autogrammkarten, T-Shirts oder Audi-Kappen und macht Selfes mit den Fans. Knapp vier Stunden später verabschiedet sich René Rast vom Redaktionsteam von Der Spezialist, setzt sich auf seinen Motorroller und fährt zurück ins Hotel. Dort heißt es: entspannen, den Kopf frei bekommen und früh schlafen gehen. Denn bereits am morgigen Sonntag steht der gleiche Tagesablauf erneut an.

07:01

In seiner Rennkarriere ist René Rast nach eigener Aussage „schon alles gefahren, was vier Räder hat". Bei dem DTM-Rennen beweist er, dass er auch Vehikel mit zwei Rädern perfekt beherrscht.

08:50

Jeder Fahrer von Audi Sport hat in einem der silbernen Audi-Trucks sein eigenes Reich, das sich die Teams selbst gestalten können. Der Zugang zum Bereich von Rast ist mit einem Zahlencode gesichert.

09:10

Um taktische Maßnahmen einzuschränken, dürfen die Teams den Funk während des Rennens nicht nutzen, während des Trainings schon.

09:33

Beim freien Training bekommen die Fahrer ein Gefühl für die Strecke und das Set-up des Wagens. Denn mit diesen Einstellungen gilt es auch Qualifying und Rennen zu bestreiten.

10:07

Beim Team-Meeting werden unter anderem die Daten der unzähligen Sensoren und Messgeräte der Wagen ausgewertet.

11:45

Nach dem Qualifiying unterliegen die Fahrzeuge den Parc-Fermé-Bestimmungen: Erlaubt sind nur minimale Arbeiten.

13:16

Der Trubel während der Grid-Presentation auf der Start- und Zielgeraden beeinflusst René Rasts Konzentration nicht. 

13:55

55 Minuten plus eine Runde dauert ein DTM-Rennen, das Rasts Team an Bildschirmen verfolgt.

14:49

Reihum gibt jeder Experte des Team Rosberg sein Feedback zur Performance des Wagens und zum Rennverlauf.

15:43

Im Gespräch mit dem ehemaligen DTM-Fahrer Timo Scheider und der Sat.-1-Moderatorin Andrea Kaiser.

16:05

Bei der Autogrammstunde präsentieren sich die Fahrer von Audi Sport einheitlich gekleidet als Team.

19:33

Feierabend! Auf dem Weg ins Hotel lässt René Rast den Tag hinter sich - der Fokus gilt nun dem Rennen am Folgetag.

 

Text:Stine Behrens
Fotografie Copyrights: GfG / Gruppe für Gestaltung

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