Diplom-Ingenieur Holger Laudeley lebt seinen Traum

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Wenn Holger Laudeley in die Zukunft blickt, sieht er eine Gesellschaft, in der die meisten Menschen energieautark leben und nicht von großen Stromversorgern abhängig sind. Damit diese Vision eines Tages Wirklichkeit werden kann, lässt sich der Diplom-Ingenieur so einiges einfallen. Jüngstes Beispiel: die energetische Sanierung eines Mehrfamilienhauses.

„Schon als Kind hatte ich meinen eigenen Kopf und zu vielen Angelegenheiten eine Meinung parat“, sagt Holger Laudeley schmunzelnd über sich selbst. Nachdem der heute 53-Jährige in den Schulferien bei einem Bremer Raumfahrtunternehmen gejobbt und dort gelernt hatte, wie Satelliten ihre Energie aus Solarzellen beziehen, ließ ihn vor allem ein Thema nicht mehr los: Eine vergleichbare Energieversorgung müsste doch auch auf der Erde möglich sein! Trotzdem startete Laudeley 1981 nach dem Abitur kein technisches Studium, sondern verpflichtete sich zunächst für zwölf Jahre bei der Marine – und erwarb dort die vier Titel Elektro- und Kältemeister sowie Meister für Schiffsbetriebstechnik und Veranstaltungstechnik. Parallel sammelte er erste Erfahrungen als Unternehmer: 1982 eröffnete der Niedersachse mit Erlaubnis der Bundeswehr einen Laden, in dem er Hi-Fi-Anlagen und Lautsprecher verkaufte sowie Ton- und Lichtanlagen für Großveranstaltungen vermietete. „Solche Anlagen verbrauchen sehr viel Strom, und es war mir zuwider, dass dafür Kohle, Öl oder was auch immer verbrannt werden musste“, sagt Holger Laudeley, der in den 1980er-Jahren allerdings kaum ernst genommen wurde, wenn er von erneuerbaren Energien und deren Bedeutung für die künftige Energieversorgung erzählte. Denn die Fotovoltaik (PV) steckte noch in den Kinderschuhen: „Zwar haben wenige Unternehmen wie AEG und Telefunken schon PV-Module hergestellt, diese waren aber extrem teuer und hatten geringe Kapazitäten von 30 bis 50 Watt. Sehr vereinzelt habe ich diese Module damals zwar schon verbaut, die Nachfrage war aber aufgrund der hohen Kosten gering.“ Mit seinem Unternehmen Laudeley Betriebstechnik begann er daher in Zusammenarbeit mit anderen Betrieben vornehmlich mit der energetischen Sanierung von Wohnungen und Betriebsgebäuden sowie dem Bau von Niedrigenergie- und Passivhäusern.

Der Boom in der Fotovoltaik-Branche setzte erst rund zehn Jahre später durch erste gesetzliche Regelungen zur Netzeinspeisung und Vergütung von regenerativen Energien sowie verschiedene PV-Förderprogramme ein. Laudeley spezialisierte sich mit seinem Unternehmen in dieser Zeit auf die Installation, Wartung und Überwachung von PV-Anlagen und bekam von der Presse im Landkreis Osterholz prompt den Titel „Fotovoltaik-Papst“ verliehen. „Leider“, wie er sagt: „Das hat sich irgendwie verselbstständigt – dabei habe ich mich einfach nur intensiv mit diesem Thema beschäftigt.“ Seit 2007 entwickelt Holger Laudeley mit seinem Team verstärkt ganzheitliche Konzepte für den Eigenverbrauch von selbst erzeugter Energie und den Einsatz von Stromspeichern in Wohnhäusern. Er erarbeitet komplexe Systeme zur wirtschaftlichen Maximierung des Eigenverbrauchs, indem er Standardkomponenten wie PV-Anlagen, Wärmepumpen, Blockheizkraftwerke (BHKW) und Stromspeichersysteme miteinander kombiniert. Dabei ist er immer auch auf der Suche nach innovativen, technischen Lösungen: So entwickelte er eine PV-Anlage für Balkone, die wie ein Blumenkasten am Geländer befestigt wird und Wohnungseigentümern sowie Mietern sauberen Strom liefert. „Es sind die einfachen Dinge, die die Menschheit weiterbringen“, ist Laudeley überzeugt.

Das Henne-Haus als Aushängeschild

Überregionale Aufmerksamkeit hat er zuletzt mit einem Projekt erregt, das als „HenneHaus“ bekannt geworden ist. Während eines Krankenhausaufenthalts kam er mit seinem behandelnden Arzt Dr. Thomas Henne ins Gespräch, der vor einem Problem stand: Sein Oldenburger Mehrfamilienhaus aus den 1970er-Jahren entsprach nicht den Vorgaben des Energieeinsparungsgesetzes, die oberste Geschossdecke musste gedämmt werden. Zurück in seinem Betrieb entwickelte Laudeley ein deutlich umfangreicheres Sanierungskonzept, das Henne überzeugte und Holger Laudeley im Sommer 2015 zusammen mit sieben Handwerkern aus seinem eigenen und drei kooperierenden Betrieben in nur sechs Wochen umsetzte. Und so funktioniert es: Auf dem Dach des Gebäudes erzeugt eine PV-Anlage mit einer Leistung von 28,8 Kilowatt Strom, der von den Bewohnern direkt verbraucht oder von zwei Stromspeichern mit einer Gesamtkapazität von 30 Kilowattstunden im Keller zwischengespeichert wird. Überwiegend in der kalten Jahreszeit kommen zwei ebenfalls im Keller untergebrachte Mikro-BHKW zum Einsatz, deren Generatoren von modernen Stirlingmotoren angetrieben werden. Die BHKW erzeugen nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung Strom und Wärme im Verhältnis eins zu fünf. Im Sommer, wenn die Heizung nicht permanent laufen muss, wird die Warmwasseraufbereitung von einer Wärmepumpe übernommen, die über einen 300 Liter fassenden Warmwasserspeicher verfügt und ihren Strom entweder direkt aus der PV-Anlage oder aus den Stromspeichern bezieht.

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Den Gasverbrauch halbiert

Vor der Sanierung verbrauchten die sechs Mietparteien des Mehrfamilienhauses 200.000 Kilowattstunden Gas pro Jahr. Zum Betrieb der Mikro-BHKW wird laut Laudeley nun deutlich weniger als die Hälfte benötigt, und beim Stromverbrauch sind die Bewohner zu fast 100 Prozent autark. Für Hauseigentümer Thomas Henne werden sich die Investitionen voraussichtlich in acht bis zehn Jahren amortisiert haben: Er tritt für seine Mieter jetzt als Energieversorger auf und verkauft ihnen den selbst erzeugten Strom und die Wärme zu einem günstigen Preis. „Das Prinzip ist so herrlich einfach“, stellt Holger Laudeley fest. „Das kann jeder machen.“ Die Umsetzung des Projekts sei absolut problemlos gelaufen – lediglich mit der amtlichen Genehmigung für den Umbau des Flachdaches zum Satteldach habe es länger gedauert als geplant. Sein Konzept ist laut Laudeley auch auf größere Gebäude übertragbar, und so wundert es nicht, dass er noch große Pläne hat: neben weiteren Haussanierungen beispielsweise die energetische Sanierung eines kompletten Straßenzugs in einer Stadt in Norddeutschland. Und das soll noch lange nicht das Ende der Geschichte sein. „Wenn sich ein Haus autark versorgen kann, schafft man das auch für einen kleinen Ort, eine Stadt und irgendwann für ein ganzes Land“, meint der fndige Unternehmer. „Das ist mein Traum."

 

Text: Anne-Katrin Wehrmann
Copyright Fotografie: Andreas Baumann