Forschungsprojekt zur Effizienzsteigerung der Produktion

Intelligente Produktion

Ein intelligenter Maschinenpark kann Unternehmen viel Zeit und Geld sparen. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT arbeitet an daten- und modellbasierten Methoden zur automatisierten Erzeugung von individuellen Fertigungsprozessketten für die Werkzeugproduktion. Mittendrin: Der 34-jährige Data Scientist und Brunel Mitarbeiter Grzegorz Stepien. 

Data Scientist und Brunel Mitarbeiter Grzegorz Stepien präsentiert
Grzegorz Stepien (34), geboren in Breslau (Polen), schloss 2019 sein Masterstudium Informatik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen ab. Seit Oktober 2019 ist er bei Brunel tätig und als Data Scientist beim Aachener Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT im Einsatz.
Ursprünglich stammt der Begriff Inkubator aus der Medizin und bezeichnet einen Brutkasten, der Frühgeborenen ein optimales Umfeld zum Wachsen schafft. In der Forschung bezeichnet das Wort Initiativen, in denen sich Fachleute aus unterschiedlichen Disziplinen zusammenfinden, um mit ihrem jeweiligen Know-how zukunftsweisende Ideen und Produkte auf den Weg zu bringen. Eine solche Initiative hat das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT in Aachen 2018 gestartet. Ihr Ziel ist es, eine adaptive Software zu entwickeln, mit deren Hilfe eine komplette Prozesskette zur Produktion eines Bauteils erzeugt werden kann. Diese soll beispielsweise im Werkzeugbau – der Herstellung von Vorrichtungen und Werkzeugen für Maschinen in der industriellen Produktion – zum Einsatz kommen.

 

„Zunächst soll die Software eine optimale Reihenfolge ermitteln, in der ein Werkzeug die Fertigung durchläuft“, berichtet Brunel Mitarbeiter Grzegorz Stepien, der als einer von zwei Software-Entwicklern im Inkubator-Team für Programmierung und Datenauswertung zuständig ist. „Darauf basierend soll sie einen detaillierten, auf den vorhandenen Maschinenpark abgestimmten Fertigungsplan erzeugen.“ Gegenwärtig erfolge die Fertigungsplanung solcher Bauteile, die oft nur in Kleinserien oder als Unikate produziert würden, in vielen Betrieben größtenteils manuell, was viel Zeit kostet: „Diesen Zeitfaktor wollen wir mit unserer Software minimieren und damit den hiesigen Werkzeugbau konkurrenzfähiger machen.“ Um das zu erreichen, muss die Software unter anderem erkennen, über welche Geräte der Maschinenpark verfügt, was diese einzelnen Maschinen können und in welchem Zustand sie sind. „Daraus soll das anhand aktueller und historischer Daten trainierte System ableiten, welche Route bei der Fertigung eines Werkzeugs die effizienteste ist“, erläutert der Informatiker. „Darüber hinaus soll es bei unerwarteten Stressoren wie Maschinenausfällen selbstständig Alternativen vorschlagen.“ Entsteht zum Beispiel ein Bauteil für eine Fräsmaschine, entscheidet die Software auf Grundlage eines 3D-Modells, welche Stellen dieses Bauteils mit welchen Maschinen und in welcher Reihenfolge zu bearbeiten sind – so zumindest lautet das perspektivische Ziel der Projektgruppe.
Data Scientist und Brunel Mitarbeiter Grzegorz Stepien
Maschinelles Lernen ist laut Grzegorz Stepien „eine der wichtigsten Technologien der Zukunft". Denn selbstlernende Programme unterstützen Menschen bei komplexen Aufgaben wie der Erkennung ungenutzter Optimierungspotenziale, der Analyse von Fehlermustern oder der Qualitätsvorhersage.

Das Potenzial des Industrial Internet of Things

Die Basis für dieses Projekt ist eine umfangreiche Analyse aller vorhandenen Planungs- und Sensordaten, die dem Fraunhofer IPT von Industriepartnern aus dem Werkzeugbau zur Verfügung gestellt werden. Grzegorz Stepiens Aufgabe ist es, diese Daten zu ordnen, auszuwerten und für die Software nutzbar zu machen. Hierzu hat der 34-Jährige zum Beispiel kürzlich einen Daten-Integrator programmiert: ein Software-Tool, mit dessen Hilfe sich die unstrukturiert und in vielen unterschiedlichen Formaten vorliegenden Daten mit wenig Aufwand in eine strukturierte Form bringen lassen. Parallel hat sein Kollege in der Software-Entwicklung die erste Version einer Software programmiert, die aus dem Wissen um die anstehenden Produktionsschritte und die zur Verfügung stehenden Maschinen eine Prozesskette ableitet. „Die Anzahl von Prozessketten in der industriellen Produktion wächst exponentiell mit der Zahl der zur Verfügung stehenden Maschinen. Aufgrund der Komplexität verfolgen wir einen sehr stark datengetriebenen Ansatz“, erläutert Stepien. Mithilfe von Big Data werden Zusammenhänge und Regeln erkennbar, anhand derer sich Prozessketten automatisch ableiten lassen. „Im Idealfall entstehen dabei neuronale Netze, mit denen das Programm eigenständig lernen und seine Fähigkeiten mit steigender Datenverfügbarkeit stetig verbessern kann.“ Ein klassisches Beispiel für die Möglichkeiten also, die das industrielle Internet der Dinge durch die intelligente Vernetzung von Systemen und die sich hierdurch neu ergebenden Datenquellen mit sich bringt.  

 

Data Scientist und Brunel Mitarbeiter Grzegorz Stepien im Videocall
In dem Projekt arbeiten Experten mehrerer Fachgebiete zusammen. Dieser interdisziplinäre Ansatz ist bewusst gewählt – ebenso wie die ausdrückliche Ergebnisoffenheit des Projekts und das schrittweise Vorgehen.

Adaptive Software-Entwicklung im Team

Zwar hatte Stepien mit Werkzeug- und Maschinenbau bisher noch nicht viel zu tun. „Für mich ist daher der interdisziplinäre Austausch im Team sehr wichtig“, sagt er. Zu seiner achtköpfigen Arbeitsgruppe („Technologieorganisation und ‑vernetzung“), zu der das Inkubatorteam eine vierköpfige Untergruppe bildet, gehören neben ihm und dem zweiten Software-Entwickler auch Maschinenbauer und Wirtschaftsingenieure. Letztere bringen das erforderliche technologische Know-how in das Projekt mit ein, halten den Kontakt zu den Industriepartnern und organisieren die Daten. „Dies ist ein Forschungsprojekt. Daher haben wir keinen starren Plan, sondern passen die nächsten Schritte immer an die aktuellen Zwischenergebnisse an“, berichtet Grzegorz Stepien. Es gebe häufige Treffen und einen steten Austausch im Inkubator-Team: „Die Entwicklung der Software ist ein adaptiver Prozess.“ Eben dieser interdisziplinäre Aspekt ist aus Sicht des Datenwissenschaftlers auch eine der großen Herausforderungen des Projekts, da jede Disziplin mit anderen Begrifflichkeiten arbeite. „Wir müssen manchmal erst verstehen, was der andere meint. Dem begegnen wir durch den regelmäßigen Dialog, was das Ganze dann auch wieder sehr fruchtbar macht.“ Ein bestimmtes Datum, bis wann das Projekt abgeschlossen sein soll, gibt es nicht – es stehe die Grundlagenarbeit im Fokus, erläutert Stepien: „Üblicherweise haben die Projekte beim Fraunhofer konkrete zeitliche und inhaltliche Vorgaben, insofern ist der Inkubator schon etwas Besonderes.“

 


Status quo und nächste Schritte

Aktuell arbeitet das Inkubator-Team unter anderem an einer Schnittstelle, damit der kürzlich entwickelte Daten-Integrator von Grzegorz Stepien und der Prozesskettengenerator seines Kollegen miteinander kommunizieren können. „Das nächste große Ziel ist dann, dass die Reihenfolge der Produktionsschritte nicht mehr manuell vorgegeben werden muss, sondern von der Software aus dem 3D-Modell selbst abgeleitet wird“, sagt Stepien. Neuronale Netze, wie sie bei der Ableitung dieser Schritte zum Einsatz kommen sollen, würden typischerweise Vektoren als Eingabe benötigten – also Zahlenkolonnen fester Länge. „Unser derzeitiger Fokus liegt daher auf der Evaluation von Methoden, mittels derer sich ein 3D-Bauteilmodell mit so wenig Informationsverlust wie möglich in einen Vektor umwandeln lässt.“

 

Illustration Frau Wehrmann

Anne-Katrin Wehrmann
Journalistin und Texterin