Was ist einem Menschen in seinem Job wichtig? Welche Anreize braucht er, um seiner Tätigkeit engagiert nachzugehen? Und was motiviert ihn? Wir stellen die häufigsten – und wissenschaftlich belegten – Arbeitsmotive vor und geben Tipps, wie diese Motive bei der Suche nach einem neuen Job als Entscheidungshilfe dienen können.
Mit Fragen nach den Arbeitsmotiven, also was ein Mensch durch seine berufliche Tätigkeit erreichen möchte, hat sich der renommierte Psychologe Prof. Dr. Uwe Kanning eingehend beschäftigt. Denn heutzutage geht es längst nicht mehr nur darum, mit dem Job den Lebensunterhalt zu bestreiten. Arbeitnehmer verfolgen unterschiedlichste Ziele und wollen etwa schnell die Karriereleiter hochklettern, gesellschaftliche Anerkennung erzielen oder über die Arbeit soziale Kontakte knüpfen. Auch die Unternehmen müssen eingehend überlegen, was sie ihren Angestellten bieten können. Nur wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich von Anfang an auf eine gemeinsame Basis verständigen, können sie zusammen ihr Ziel erreichen: dass Mitarbeiter sich engagiert für die Erreichung der Organisationsziele einsetzen und sich gleichzeitig an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen.
In seinem „Inventar zur Erfassung von Arbeitsmotiven (IEA)“, einem berufsbezogenen Persönlichkeitstest, hat Kanning 16 grundlegende Arbeitsmotive definiert:
- Selbstbezug
- Autonomie
- Entwicklung
- Abwechslung
- Selbstwert
- Führung
- Materielles
- Macht
- Ansehen
- Leistung
- Komfort
- Prosozialität
- Anschluss
- Aktivität
- Sicherheit
- Work-Life-Balance
Diese Motive lassen sich zu 4 übergeordneten Kategorien gruppieren: Individualität, Karriere, Soziales und Privatleben.

Was ist wichtiger: Karriere oder Privatleben?
Die Arbeitsmotive im Bereich der Individualität umschreiben das Streben, die eigene Persönlichkeit in eine abwechslungsreiche und wertvolle Arbeit einzubringen und sich dabei kontinuierlich weiterzuentwickeln. Um dieses Ziel zu erreichen, spielen Motive wie Selbstständigkeit und die Möglichkeit, Fähigkeiten und Wissen einzusetzen, eine wichtige Rolle. Der Mitarbeiter möchte kreativ und innovativ an vielfältigen Aufgaben arbeiten und sich dabei selbst verwirklichen. Positives Feedback sowie faire und kompetente Vorgesetzte tragen zu seinem Selbstwertgefühl bei.
Wer schnell aufsteigen will, dem sind die Karriere-Motive wichtig: Geld, Ansehen und Macht. Dieser Mitarbeiter legt Wert auf Komfort, auf eine angenehme Arbeitsumgebung. Er übernimmt mit Vorliebe Verantwortung und Führungspositionen und insbesondere die Anerkennung von Kollegen und Vorgesetzten unterstreicht für ihn seine Bedeutung für das Unternehmen.

Sein Kollege setzt andere Prioritäten, für ihn sind womöglich Arbeitsmotive aus den Bereichen Soziales und Privatleben relevant – wie etwa Sicherheit am Arbeitsplatz, eine gesunde Work-Life-Balance oder das Pflegen von zwischenmenschlichen Beziehungen. Er strebt nach Harmonie und danach, mit seiner Tätigkeit etwas zu verändern sowie seine moralischen Werte und Vorstellungen in seinen Aufgabenbereich einzubringen.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen Job und Motive in Einklang bringen
Arbeitsmotive sind ab dem ersten Aufeinandertreffen von Führungskräften und potenziellen Mitarbeitern von Bedeutung. Ein Unternehmen sollte sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren, dem die Zufriedenheit seiner Mitarbeiter wichtig ist. Zudem ist es äußerst empfehlenswert, dass die Führungskraft die individuellen Arbeitsmotive von zukünftigen Mitarbeitern direkt zu Anfang klärt. So erlangt er Aufschluss darüber, wie der Mitarbeiter auf Dauer Zufriedenheit in der neuen Tätigkeit erleben kann und wie sich das Unternehmen auf dessen Bedürfnisse einstellen kann. Denn langfristig wird ein Arbeitgeber gute Mitarbeiter nur binden, wenn er ihnen eine hinreichende Befriedigung ihrer Arbeitsmotive anbieten kann.
Arbeitnehmer auf der anderen Seite sollten sich ebenfalls so früh wie möglich – z.B. zu Anfang der Jobsuche – die Frage stellen, was sie durch ihre berufliche Tätigkeit erreichen möchten und dabei Prioritäten setzen. Welche Motive sind ein Muss, welche wären zusätzlich schön zu haben? Sind die persönlichen Vorstellungen definiert, sollten Bewerber sich eingehend mit dem Wunschunternehmen und dem neuen Aufgabenbereich befassen. Je mehr Informationen dabei eingeholt werden, desto eher entwickeln sie ein Gefühl dafür, ob sich die persönlichen Arbeitsmotive mit dem neuen Job in den Einklang bringen lassen.
Zur Person
Prof. Dr. Uwe Kanning, Jahrgang 1966, hat Psychologie, Pädagogik und Soziologie in Münster und Canterbury studiert, seit 2009 lehrt er an der Hochschule Osnabrück Wirtschaftspsychologie. Er ist Autor und Herausgeber von mehr als zwei Dutzend Fachbüchern und psychologischen Testverfahren, seine Forschungsschwerpunkte sind Personalauswahl, Leistungsbeurteilung, soziale Kompetenzen und Arbeitszufriedenheit.
Was beeinflusst die Arbeitszufriedenheit?
Die Arbeitszufriedenheit wird wie die Arbeitsmotivation multifaktoriell beeinflusst. Wird dieses Thema in der Öffentlichkeit diskutiert, fällt häufig die Bemerkung „Hauptsache das Geld stimmt“. Tatsächlich spielt eine angemessene Bezahlung für viele eine entscheidende Rolle für die Arbeitszufriedenheit. Nicht immer ist das Gehalt jedoch nicht ausschlaggebend und gleichwohl kann eine noch so attraktive Entlohnung nicht vollständig kompensieren, wenn sich Arbeitnehmer ansonsten unwohl fühlen. Ob Mitarbeiter in ihrem Job zufrieden sind, hängt von vielen Faktoren und individuellen Einstellungen ab. Eine immense Auswirkung auf die Zufriedenheit im Job hat bei vielen Arbeitnehmern etwa auch das Betriebsklima, die Normen und Werte, die im Unternehmen vorherrschen. Werden Arbeitnehmer von Kollegen und Vorgesetzten wertschätzend behandelt und können sich frei entfalten, steigert dies ihre Motivation. Dabei spielt auch ein gewisser Teamgeist eine entscheidende Rolle, der von gegenseitiger Unterstützung und einem respektvollen sowie vertrauensvollen Miteinander lebt.
Der Arbeitsplatz hat ebenfalls Einfluss auf die Zufriedenheit. Viele Arbeitnehmer wird es frustrieren, wenn das technisches Equipment im Büro ständig streikt, es an den Fenstern zieht und zudem noch kostbare Zeit bei der Parkplatzsuche verschwendet werden muss. Jeder Punkt für sich wird vielleicht noch keine Unzufriedenheit aufkommen lassen, die Summe an Ärgernissen aber schon. Ein attraktives und modernes Arbeitsumfeld, gepaart mit Aufgaben, die zu der eigenen Qualifikation passen, tragen hingegen zu einer Zufriedenheit bei. Dasselbe gilt für die Gewissheit, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben. Die Verfügbarkeit von Fortbildungs-, Weiterentwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten ist für die allermeisten Arbeitnehmer ebenfalls relevant.
Der Arbeitszufriedenheit wenig zuträglich sind zudem Extremsituationen bezüglich der Arbeitsauslastung. Wenn Mitarbeiter ständig unter Hochdruck stehen und die Arbeit kaum bewältigen können, führt dies zu negativem Stress und Unzufriedenheit. Landläufig unterschätzt wird zudem häufig die gegenteilige Arbeitssituation: Zu wenig Arbeit lässt ein Gefühl von Langeweile und Nutzlosigkeit, bisweilen sogar von Existenzangst entstehen. Mitarbeiter sollten folglich stets gemäß ihren Kenntnissen und Fähigkeiten eingesetzt werden. Traut man ihnen nicht so viel zu oder macht es die schlechte Auftragslage nicht möglich, Aufgaben in Qualität und Quantität zu erhöhen, geraten Mitarbeiter ins Grübeln, zweifeln an ihrer Arbeit und werden immer unzufriedener, bis ein Jobwechsel die einzige Lösung darstellt. Denn verharren Mitarbeiter in einem Job, der sie unter- oder überfordert, können sie in einen krankhaften Zustand geraten und an Burnout oder Boreout leiden. Diese weitreichenden Folgen gilt es für das Wohl von Unternehmen wie Mitarbeitern dringend zu vermeiden.
Intrinsische und extrinsische Motivation kurz erklärt:
Mit dem Begriff extrinsische Arbeitsmotive werden alle Motive zusammengefasst, die von außen auf Sie einwirken und Sie zur Ausübung Ihres Berufes ermuntern. Das Paradebeispiel hierfür ist das Gehalt. Im klassischsten Sinne wird die Arbeit (ausschließlich) als Mittel zum Erwerb des Lebensunterhaltes angesehen. Das Streben nach einem Status als erfolgreiche Person (Prestige) und sozialer Aufstieg werden von Wissenschaftlern ebenfalls dazugezählt. Extrinsisch ist in diesem Zusammenhang auch, sich materielle Wünsche durch die Arbeit erfüllen zu können. Ohne Zweifel verfolgen viele Menschen zudem das erklärte Ziel, sich einen Reichtum aufzubauen, zumindest aber große finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen. Beides sind ebenfalls typische extrinsische Arbeitsmotive.
Das Gefühl, mit seiner Arbeit einen sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, ist ein klassisches intrinsisches Arbeitsmotiv. Auch die zwischenmenschlichen Begegnungen im Job werden dazugezählt, ebenso wie das Gefühl, selbst gesteckte Ziele zu erreichen und eine positive Rückmeldung zu bekommen. Wenn es Ihnen ein gutes Gefühl bereitet, Verantwortung zu tragen, handelt es sich um ein verbreitetes intrinsisches Arbeitsmotiv. Ebenfalls dazugezählt werden schlicht Spaß an der Arbeit und Interesse an seinem Fachgebiet. Alle Faktoren, die Sie aus Ihrem Inneren heraus zur Arbeit motivieren, sind intrinsische Arbeitsmotive. Vereinfacht gesagt geht es um die Motivation an der Arbeit als solches.